Individuelle Lernvoraussetzungen im Sinne sonderpädagogischer Diagnostik als Grundlage variabler sonderpädagogischer Unterrichtsplanung in ES

von Alexander Lang

Eine historische Betrachtung von Didaktik zeigt, dass es nicht nur aus der Perspektive der Sonderpädagogik angezeigt scheint, sich für die Unterrichtsplanung umfassend mit dem individuellen Sein, Können und Wissen von Schülerinnen und Schülern auseinander zu setzen. Bereits Comenius beschrieb sinngemäß, dass der Lehrstoff so verteilt werden müsse, dass nichts zu lernen aufgegeben werde, was das jeweilige Fassungsvermögen [der Schülerinnen und Schüler] übersteige. Im späten 19. Und frühen 20. Jahrhundert begann eine intensive Beschäftigung mit der Erfassung von Lernvoraussetzungen als Grundlage für Unterricht im Kontext Schule, Berthold Hartmann beschrieb es 1913 so: „Die Analyse des kindlichen Gedankenkreises als die naturgemäße Grundlage des ersten Schulunterrichts“ (Carle 1997, S. 10).

Bedeutung individueller Lernvoraussetzungen innerhalb der Sonderpädagogik

In der Sonderpädagogik nimmt bis heute der Bereich „Diagnostische Kompetenz“ eine Stellung von herausragender Bedeutung ein. Vera Moser beschreibt Diagnostische Kompetenz sogar als sonderpädagogisches Professionsmerkmal (Moser 2005, S. 29).

Zur Zeit meiner Ausbildung Anfang der 2000er (Studium in Köln, Referendariat in Hamburg) wurden mir gar keine expliziten Handlungsanweisungen an die Hand gegeben, um „sonderpädagogische Diagnostik“ zu betreiben. Im Studium gab es zwar Seminare zu Diagnostik, die sich allerdings v. a. auf psychologische Tests oder Screeningverfahren konzentrierten und den Fokus sehr weit stellten und weniger auf die situations-, kontext- und fachspezifischen Lernvoraussetzungen für eine sonderpädagogische Unterrichtsplanung abzielten.

Zudem galt eine strikte „Zwei-Welten-Denke“ (Die eine Welt ist die des akademischen Lerninhaltes des Fächercurriculums der Allgemeinen Pädagogik und die sonderpädagogische Welt bezieht sich vor  allem auf die sog. Entwicklungsbereiche): Diagnostische Erkenntnisse sollten vor allem für den überfachlichen Entwicklungsbereich erkannt werden. Problemlos konnten (können) so sonderpädagogische Unterrichtsstunden geplant werden, ohne dass es Verbindungen/ Verknüpfungen zwischen Fachinhalten und sonderpädagogischer Förderung gab (gibt).

Die Folge dessen war, bzw. ist noch heute: Ich plante damals einerseits eine gelingende Geschichtsstunde (Thema Altes Ägypten) und andererseits - losgelöst von der Geschichtsstunde - dem individuellen Förderplan entnommene sonderpädagogische Förderanliegen für den überfachlichen Zielbereich. Leider verleitet dieses klassische „duale Planen” von sonderpädagogischem Unterricht zu einer eher oberflächlichen, an den Phasen des Unterrichtsverlaufs orientierte Erfassung der individuellen Lernvoraussetzungen, denn wenn weder die Fachinhalte der Stunde noch die methodische Gestaltung der Stunde und auch nicht auf der Metaebene die Intention sonderpädagogischer Förderung reflektiert werden in Bezug auf die überfachlichen Ziele, dann müssen diese beinahe zwanghaft rein in Hinblick auf die unterschiedlichen Anforderungen in den Phasen der Stunde ausgerichtet werden (z. B. am groben Muster Einstieg – Hinführung – Erarbeitung – Sicherung – Reflexion). Zusätzlich kann hinsichtlich der individuellen Lernvoraussetzungen noch auf den individuellen Förderplan rekurriert werden: Beide Vorgehen führen allerdings meiner Erfahrung nach eher zu einer zu oberflächlichen Beschreibung, die häufig zu wenig situations-, kontext- und fachspezifisch ausfällt und somit zu wenig auf die Lernprozesse rekurriert:

Beispiele wären hier, grob orientiert an den sogenannten (sonderpädagogischen) Entwicklungsbereichen, Formulierungen wie:

  • „... hält die grundlegenden Regeln des sozialen Miteinanders mit Hilfe ein“
  • „... kann die Aufmerksamkeit 15 Minuten altersangemessen aufrechterhalten“
  • „... fällt es schwer, an seinem Arbeitsplatz sitzen zu bleiben“
  • „... ruft ohne Einhaltung der Melderegel häufig Wortmeldungen in den Klassenraum hinein“
  • „... kann die Emotionen nicht altersangemessen kontrollieren“
  • „... gering ausgeprägte Frustrationstoleranz“

Ich selbst setzte lange Zeit, zusätzlich zur Arbeit mit dem Förderplan, eine Art Dokumentation in Tabellenform ein, um meine Beobachtungen zu SuS, meine hypothetischen Annahmen über Ihre Lernvoraussetzungen und aktuelle Konsequenzen für mein sonderpädagogisches Handeln festzuhalten und zur Unterrichtsplanung zur Hand zu haben:


In der Sonderpädagogik veränderte sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten Vieles

„Innerhalb der sonderpädagogischen Fachwelt wird eine breite Diskussion über die deutlich wahrnehmbaren Veränderungen der Arbeitspraxis und des Arbeitsorts des sonderpädagogischen Lehramts geführt (vgl. Reiser, 2018, S. 97ff.). Unterricht von sonderpädagogischen Lehrkräften der Fachrichtung Emotionale und soziale Entwicklung findet nicht mehr hauptsächlich im Rahmen des Kontexts Förderschule, sondern mittlerweile ebenso selbstverständlich in Schulen des Gemeinsamen Lernens der Allgemeinen Pädagogik statt: Hillenbrand konstatiert (in QUA-LiS NRW, 2019, S. 6 ff.) zum einen eine Zunahme der Anzahl an Schülerinnen und Schülern mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung im Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung im Zeitraum von 2003 bis 2015/2016 um 100% (von 42.627 auf 85.644), was ca. 1,2 % der Schülerinnen- und Schüler-Gesamtheit in Deutschland darstellt. Laut der Homepage des Deutschen Schulportals lernen in NRW im Schuljahr 2015/2016 ca. 42 % der Schülerinnen und Schüler mit solchen mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung an All- gemeinen Schulen. Reiser fasst diese und weitere Veränderungen innerhalb der Fachdisziplin von 1970 bis heute in seinem Beitrag „Arbeitsplatzbeschreibungen – Veränderungen der sonderpädagogischen Berufsrolle“ treffend zusammen (vgl. Reiser, 2018, S. 97ff.)“ (Lang und Walbert 2021, S. 23). Zudem erreichten konstruktivistische Erkenntnisse des Lernprozesses nicht nur die Fachdidaktiken sondern etablierten sich gemeinsam mit alles Auswirkungen der Ausrichtung auf Kompetenzorientierung von schulischen Lernprozessen mittlerweile fest in der Schulpraxis.

Grundsätzliche Anmerkungen zur Bedeutung und Erhebung individueller Lernvoraussetzungen im dialogischen und dynamischen Prozess sonderpädagogischer Förderung

Hier kann noch einmal nachgelesen werden, wie sich der Prozess sonderpädagogischer Förderung theoretisch begründen lässt, denn was die Arbeit in der Praxis häufig vergisst, ist das Problem des sogenannten naturalistischen Fehlschlusses (vgl. Schlee 2007) im theoretischen Begründungskontext von sonderpädagogischer Förderung. Aus diagnostischen Handlungen, bzw. Einschätzungen können sich nicht legitime Soll-Zustände (in diesem Fall Ziele von Förderung) direkt ableiten lassen. Aus Ist-Werten lassen sich keine Soll-Werte ableiten. Diese Kritik auf wissenschaftstheoretischer Ebene wurde laut Breitenbach bis heute nicht entschärft (2014, S. 69).

Wie kann dann der sonderpädagogische Förderprozess/Lernprozess trotzdem praktisch und theoriegeleitet ablaufen?

Hierzu ist es hilfreich, sein sonderpädagogisches Handeln auf Tiefenstrukturebene im Vorfeld zu durchdenken. Ich beziehe mich am liebsten auf das Modell von Breitenbach (ebd., S. 71ff), da ich hier die Kritik Schlees am besten aufgenommen und abgemildert sehe und die Prozesshaftigkeit sonderpädagogischer Förderung sehr gelungen dargestellt finde. In folgendem zirkulären Geschehen (mit den stets gleichen Anfangs- bzw. Endpunkten des Lernziels/Lernangebotes und des adaptierten Lehrangebotes) vollzieht sich angelehnt an Breitenbach der Prozess der sonderpädagogischen Diagnostik und Förderung im Kontext Unterricht:

Sonderpädagogische Förderung wird so bei Breitenbach eben nicht zu einer komplexitätsreduzierenden Struktur nach dem Grundmuster "ich erfasse Ist-Werte" und "ich generiere darauf fußend Soll-Werte", vielmehr beschreibt Breitenbach ein doppeltes hypothesenbildendes und hypothesenprüfendes Vorgehen.

Nach Breitenbach lassen sich die individuellen Lernvoraussetzungen im Bereich „Lernhemmnisse“ und Hypothesenbildung über möglichen Bedingungshintergrund“ und der „Hypothesenbildung über nächste Entwicklungsschritte“ verorten.

Was wird überhaupt unter der Begrifflichkeit individuelle Lernvoraussetzungen verstanden?

In der absolut lesenswerten Dissertation von Barth, „Kompetentes Diagnostizieren von Lernvoraussetzungen in Unterrichtssituationen Eine theoretische Betrachtung zur Identifikation bedeutsamer Voraussetzungen“ werden unterschiedliche Vorstellungen verschiedener Autorinnen und Autoren dargestellt (Barth 2010, S. 75f):

„In der Literatur finden sich unterschiedliche Klassifikationen von Lernvoraussetzungen, die untereinander jedoch große Ähnlichkeiten aufweisen. E. Wild, Hofer & Pekrun (2001) sprechen von emotionalen, motivationalen, kognitiven sowie sozialen Voraussetzungen für schulische Lernprozesse. Doll und Prenzel (2004) unterscheiden kognitive, motivationale, affektive, volitionale und soziale individuelle Lernvoraussetzungen. Auch Pekrun et al. (2004) halten neben Intelligenz und Vorwissen emotionale und motivationale Schülerbedingungen als wesentlich für die Leistungsentwicklung. In Bezug auf den Hochschulunterricht unterscheiden Helmke und F.W. Schrader (2001b) bei den individuellen Lernvoraussetzungen somatische (z.B. Geschlecht, Gesundheit), kognitive (z.B. Intelligenz, Vorwissen, Lernstrategien), motivationale (z.B. Lernmotivation, Interesse), volitionale (Handlungskontrolle) und soziale Merkmale (z.B. kommunikative Kompetenz) der Lerner. Weiterhin werden „Studierfähigkeit“ und die bisherige Bildungsbiographie angeführt. Obwohl sich diese Lernvoraussetzungen auf den Hochschulbereich beziehen, sind sie zum Teil auf den Schulbereich übertragbar. Welche Lernvoraussetzungen stehen üblicherweise im Zentrum der wissenschaftlichen Betrachtung? Spinath (2005) verweist auf die nach ihrer Recherche meistuntersuchten Lern und Leistungsvoraussetzungen Intelligenz, Fähigkeitsselbstwahrnehmungen, Lernmotivation und Leistungsängstlichkeit. Die größte Aufmerksamkeit unter den individuellen Lernvoraussetzungen haben nach Helmke und F.W. Schrader (2001a) individuelle kognitive Lernvoraussetzungen erfahren. Dabei gilt das besondere Interesse der Intelligenz bzw. der Begabung sowie dem bereits vorhandenen Vorwissen. Fehlkonzeptionen haben sich hier als besonders wichtig erwiesen. Unter den verschiedenen Autoren herrscht also zumindest bezüglich der Bedeutung kognitiver, emotionaler und motivationaler Lernvoraussetzungen weitestgehend Einigkeit (vgl. Winther & Achtenhagen, 2008).“

Sowohl Doll und Prenzel als auch Helmke und Schrader erachten laut Barth neben den überfachlichen Dimensionen Kognition, Emotionen und Motivation auch noch volitionale (Handlungskontrolle) und soziale Merkmale als bedeutsamen Bestandteil individueller Lernvoraussetzungen auf, was sich aus ES-Perspektive ebenso empfiehlt.

Wember und Heimlich führen aus sonderpädagogischer Perspektive
folgende Anmerkungen zu individuellen Lernvoraussetzungen an (2016, S. 332): „Individualität gilt als prägendes Merkmal des Menschseins. Demnach ist auch jedes Kind als Person und in seiner Persönlichkeitsentwicklung einzigartig. Hinzu tritt sein jeweils spezifischer Lebenskontext. Diese internen und externen Bedingungsfaktoren führen dazu, dass sich jedweder Lernvorgang als ein höchst individueller Prozess darstellt. Folgende These ist gewiss unstrittig: Jeder junge Mensch lernt mit unterschiedlicher Motivation. Er lernt mit unterschiedlicher Intentionalität und Intensität. Er lernt in unterschiedlichem Lerntempo. Er lernt mit unterschiedlichem Interesse und mit unterschiedlicher Begabung.“

Der sonderpädagogische Diagnostik-Papst Bundschuh wird von Wember und Heimlich (2016, S. 339) wie folgt zitiert: „Aus der Kenntnis der individuellen Entwicklung kann auf die Lernausgangslage geschlossen werden. Handlungen und Verhalten weisen auf Können und Möglichkeiten eines Kindes hin, lassen gleichzeitig den Schluss auf innere Vorgänge, auf kognitive Prozesse im Netzwerk des Nervensystems zu. Dieser innere Vorgang steht wiederum in einem engen Vernetzungsprozess mit dem Außengeschehen, also mit den Begegnungen der Welt“. Zudem rekurrieren Sie auch auf die bereits erwähnten konstruktivistischen Aspekte moderner Didaktiken (ebd., S. 344): „Ein bedeutsames didaktisches Prinzip, das auf kognitions- lern- und entwicklungstheoretischen Erkenntnissen fußt, nämlich das Vorwissen, die Vorerfahrungen, Fähigkeiten, Neigungen und Interessen der Schüler im Unterricht zu berücksichtigen und sie permanent zu aktivieren, resultiert aus der Einsicht, dass neues Wissen Andockstellen in den bestehenden kognitiven Netzen benötigt und positive Emotionen, evoziert durch Erfolgserlebnisse, eine besonders förderliche Wirkung auf das Lernen haben (…). Lernen ist stets ein Akt der individuellen Hervorbringung seitens der Schüler in Interaktion mit der Peergroup.“

Barth (vgl. 2010, S. 147) weist explizit darauf hin, dass alle genannten Lernvoraussetzungen keineswegs unabhängig voneinander, sondern oftmals sogar äußerst komplex verwoben sind. Das heißt, dass zumindest Emotion, Motivation und Verstehen möglicherweise nicht unabhängig voneinander diagnostiziert werden können. Zudem stellt sich immer die Frage, wie und ob diese modellhaft gedachten Dimensionen überhaupt durch Lehrkräfte erfasst werden können. Hierzu findet sich in der Dissertation Barths eine sehr gelungene Übersicht (ebd., S. 148/149):



(Quelle: Dissertation von Barth, S. 148/149 „Zusammenfassung der Voraussetzungen der kompetenten DiU, die sich aus der Betrachtung der Lernvoraussetzungen ableiten lassen“)

Was ist das Ziel der Erfassung individueller Lernvoraussetzungen? Was ist die Zone der proximalen Entwicklung?

Sonderpädagogische Förderung in ES intendiert Lernzuwachs und Entwicklung über die curricularen akademische Lerninhalte der Fächer im Kontext Unterricht hinaus.

Nach Wygotski kann sonderpädagogischer Unterricht als Prozess der Transition vom Intermentalen (Austausch zwischen einem Kind und einer anderen Person) zum Intramentalen (der Gedankenwelt innerhalb des Kindes) aufgefasst werden. Als Ziel der Erfassung individueller Lernvoraussetzungen kann verstanden werden, die Zone der proximalen Entwicklung stetig zu verschieben: Die Zone der proximalen Entwicklung bezeichnet nach Wygotski die Spanne zwischen dem spontanen Können und dem Können, das es maximal unter Anleitung zeigen kann; es handelt sich also um ein Spektrum von Aufgaben/Fähigkeiten/Verhaltensweisen, die Schülerinnen und Schüler zwar noch nicht alleine bewältigen/zeigen/anwenden können, aber mithilfe geübter (kompetenter) Partner*innen, bzw. in adaptiv sonderpädagogisch geplantem Unterricht (vgl. Breitenbach, S. 308ff).

Durch eine möglichst realitätsnahe hypothetische Erfassung der individuellen Lernvoraussetzungen von Schülerinnen und Schülern soll sonderpädagogischer Unterricht in ES also ein Höchstmaß an Adaptivität des Unterrichtsangebots (vgl. Lang und Walbert 2021, S. 26f) sowohl in Hinsicht auf das fachlich-akademische als auch und vor allem im überfachlichen Bereich sonderpädagogischer Förderung intendieren.

Hauptunterschiede zur Perspektive der Allgemeinen Pädagogik?

Neben der individuellen Tiefe, der entwicklungspsychologischen und überfachlichen Dimension sonderpädagogischer Förderung in ES liegt ein weiterer Hauptunterschied bei der Erfassung individuelle Lernvoraussetzungen zur Allgemeinen Pädagogik vor allem im Bezugssystem. Traditionell bedient sich Diagnostik dreier unterschiedlichen Bezugssysteme (vgl. Breitenbach 2014, S. 63ff):

Normorientiertes Bezugssystem

Im normorientierten Bezugssystem wird individuelles Verhalten und Leistung in Beziehung zum Verhalten und zur Leistung einer Bezugsgruppe gesetzt (Logik der Allgemeinen Pädagogik und großer Teile des dt. mehrgliedrigen Schulsystems).

Lernzielorientiertes Bezugssystem

Die lernzielorientierte Norm fragt danach,  ob ein Lernziel erreicht ist oder nicht (findet sich in der Formulierung der nicht erreichten Versetzung in die folgende Klassenstufe bezogen auf Zeugnisse wieder).

Entwicklungsorientiertes Bezugssystem

Hier wird diagnostisch untersucht, wie weit ein Individuum im Erwerbsprozess vorangeschritten ist, welche Schritte bereits vollzogen, welche Kompetenzen bereits erworben und welche noch zu bewältigen und entwickeln sind.

Sonderpädagogische diagnostische Expertise in ES bezieht sich häufig auf dieses entwicklungsorientierte Bezugssystem, um Schülerinnen und Schüler zum Einen nicht weiter -bei in der Regel guter Intelligenzbegabung- von erfolgreicher Partizipation von Bildungsinhalten auszuschließen (was sehr häufig in der Lernbiographie von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf in ES geschah) und vor allem um individuelle positive Entwicklungen sichtbar werden zu lassen, die in normorientierten Bezugssystemen keine Beachtung erfahren. Hier fällt mir das Beispiel des gut begabten Sohnes oder der gut begabten Tochter aus der oberen  Mittelschicht ein, wo zur Erlangung des Abiturs bei optimalen primären und sekundären Sozialisationsbedingungen und sonstigen Lernbedingungen möglicherweise kaum größere individuelle Anstrengungen und Fortschritte erfolgten im Gegensatz zu Schülerinnen und Schülern aus sozialen und finanziell unterprivilegierten Familienherkünften in höchstprekären Lebensverhältnisse, die riesige individuelle Fortschritte unter maximalem individuellen Einsatz machen aber unter den ersten beiden Bezugssystemen keine Beachtung oder Würdigung erfahren. Anzumerken sei hier noch, dass natürlich nicht (erfolgreich) erbrachte Leistungen auch im ES Bereich unter den derzeitigen Vorgaben, z. B. des Bildungsgangs Hauptschule und der APO Sek I, natürlich auch zum Nichterwerb eines Schulabschlusses führen - allerdings kann und muss hier zumindest der überfachlich intendierte Bereich entsprechend Beachtung und Würdigung erfahren!

Opp spricht in diesem Kontext von einem Primat der Erziehung mit der logischen Konsequenz, dass in ES grundlegend anders gehandelt werden muss, als es weite Teile der Allgemeinen Pädagogik im deutschen Schulsystem noch tun, Stichwort „therapeutisches Milieu“ nach Stein und Stein (vgl. Lang und Walbert 2021, S. 25). Mein Kollege Walbert und ich sind aufgrund unserer gemeinsamen und langen ES-Erfahrung mittlerweile beinahe der Auffassung, dass im ES-Bereich dieses Schule-anders-Gestalten, unser Erziehungsverhalten und Verhalten an sich als wertschätzendes Gegenüber den größeren Anteil an Wirkeffekten begründet und vermutlich haben wir o. g. ES-Emeritus Reiser auf unserer Seite (vgl. 2018, S. 103ff)?

Individuelle Bereitschaft für Veränderung

Abschließend sei noch auf die Beachtung folgender beiden Bereiche verwiesen, die zur Erfassung der individuellen Lernvoraussetzungen aus ES-Sicht unbedingt wichtig erscheinen: Sind die Schülerinnen und Schüler überhaupt offen für Veränderung oder bedarf es hier auf übergeordneter Ebene Arbeit an der Bereitschaft für Veränderung von Verhalten/ Lebensweisen/ Haltungen etc., die Lernen und Entwicklung verhindern?

Phasen sonderpädagogischer Förderung in ES

Die hypothetische Verortung eines Schülers/ einer Schülerin in den Phasen sonderpädagogischer Förderung von Lang und Walbert (2021) kann erste Hinweise auf angezeigte Ansatzpunkte für sonderpädagogische Förderung ergeben, welche gleichzeitig Hinweise für die sonderpädagogische Unterrichtsplanung sein können und eine Variabilität hinsichtlich der Intendierung sonderpädagogischer Förderung ermöglichen (ebd., S. 27):

Quelle: Lang, A. und Walbert, G. (2021): Variable sonderpädagogische Unterrichtsplanung – neue Impulse der sonderpädagogischen Unterrichtsplanung in der Fachrichtung Emotionale und soziale Entwicklung. In: Zeitschrift für Heilpädagogik, Ausgabe 1, 2021, S. 27

Wie können die vorherigen Ausführungen umgesetzt und zur Nutzbarmachung einer sonderpädagogischen Unterrichtsplanung aufbereitet werden?

Im Folgenden werden exemplarisch hilfreiche Erschließungsfragen und Hinweise zu einigen der oben aufgeführten Bereiche individueller Lernvoraussetzungen beispielhaft dargestellt. Ziel soll sein, eine eher oberflächliche und zu allgemeine Beschreibung (häufig orientiert an den groben Phasen des Unterrichts) zu überwinden und ein höheres Maß an Kontextspezifizität, Situationsgebundenheit und Fachlichkeit sowohl in fachlich-akademischer, als auch in überfachlicher und entwicklungspsychologischer Hinsicht zu erlangen und somit ein Höchstmaß an Adaptivität des Lehr-Lernangebotes umzusetzen.

Hilfreiche Erschließungsfragen nach …

…Bundschuh

Konrad Bundschuh (2003) benennt u. a. folgende Aspekte der Lernausgangslage, die bei der Planung von Unterricht immer kontextbezogen zu beachten sind.

1. Im Hinblick auf die Schülerinnen und Schüler ist zu fragen:

  • Inwieweit kann die Schülerin/der Schüler die gestellt Aufgabe erfüllen?
  • Welche Teilschritte, Teillösungen und Teilleistungen werden bereits erbracht?
  • Welche Besonderheiten zeigen sich in der Lösungsstrategie?
  • Auf welche bereits erworbenen Begriffe bzw. Denkstrukturen lassen Handeln und denken schließen?
  • Bilden die  angewandten Handlungen  eine  sinnvolle und effektive  Lösungsstrategie?  Sagen sie etwas über die Denk- und Handlungsprozesse aus?
  • Welche Handlungen bzw. Verhaltensmöglichkeiten fehlen für eine gute Lösungsstrategie?
  • Sind Handlungen im  Sinne des Lerngegenstandes unpassend, werden sie ungünstig oder in ungünstiger Reihenfolge vollzogen?

2. Im Hinblick auf die Sachstruktur, also Analyse der akademisch-inhaltlichen Anforderungen ist zu fragen:

  • Welche Handlungsvollzüge  bzw. welche Tätigkeiten und Denkvorgänge setzen Lerngegenstand und Lerninhalt voraus?
  • Welche sachstrukturellen Kenntnisse (Fachwissen) sind für den Lerninhalt Voraussetzung?

3. Erst dann können Fragen der Vermittlung gestellt werden:

  • Welche Abstraktionsebene haben die Vermittlung und das Unterrichtsmaterial (enaktiv/handelnd, ikonisch/bildhaft oder symbolisch)?
  • Welche Fähigkeiten (Lesen, Ab-Schreiben, Zuhören,...) erfordert die Vermittlung?

Bundschuhs Ausführungen ergänzen Georg Walbert und ich um folgende Anmerkungen und Erschließungsfragen:

  • Wurde präkonzeptuelles Wissen des Fachs erfasst, wurde bereichsspezifisches Wissen analysiert?
  • Wie ist der individuelle Leistungsstand bezogen auf das Stundenthema/ auf die Fachinhalte/ überfachlichen Inhalte und bezogen auf die Lerngruppe?
  • Individuelle Kompetenzniveaus oder- stufen fachlich fundiert beschreiben: gibt es für den Fachinhalt z. B. ein Kompetenzmodell? Gibt es für die überfachlichen Inhalte Kompetenzdarstellungen (z. B. MesK) oder entwicklungspsychologische Fundierungen (im Sinne eines theoretischen Bezugssystems)?
  • Einstellung/ Haltung zum Thema, Kenntnisse von fachspezifischen Vorgehensweisen/Fähigkeiten oder fachspezifischen Fertigkeiten ...
  • Gibt es z. B. bevorzugte Lernzugänge, Kommunikationsmöglichkeiten, Aussagen zu verfügbaren Kompetenzen, zu Ressourcen und Lernbarrieren bezogen auf das aktuelle Stundengeschehen?

Konsequenzen und Zielbezogenheit

  • Welche Rückschlüsse für mein unterrichtliches Handeln ziehe ich?
  • Sind die Ausführungen der erfassten individuellen Lernvoraussetzungen auf die fachlichen und überfachlichen Ziele der Stunde bezogen?
  • Was ist für SuS die Zone der nächsten Entwicklung bezogen auf diese Stunde (fachlich, überfachlich => im aktuellen Lernprozess)
  • Welche Unterstützungen (z. B. personell, organisatorisch, differenzierende Maßnahmen, räumlichen, etc....) benötigt er/ sie hierzu?
  • Welcher Grad an Individualisierung und/ oder abgeleiteter Ziele (individuelle fachliche Förderziele/ individuelle fachübergreifende Förderziele) ist/ sind notwendig?
  • Welche (sonder-)pädagogischen Konsequenzen (und sonderpädagogische Maßnahmen) ergeben sich an mein Handeln bezogen auf die von mir vermuteten individuellen Bedürfnisse des Schülers/der Schülerin?
  • Welche Darstellungsform passt am besten zu meiner Lerngruppe, zu meinem Thema, den gewählten Methoden und Sozialformen?
  • Habe ich den Fach- und den Fachrichtungsaspekt im gesamten Planungsprozess ausreichend, gleichberechtigt berücksichtigt und mehr als nur isolierte Teilfertigkeiten im Blick?
  • Sind die geplanten Maßnahmen und Konsequenzen in sich folgerichtig, zielführend und konkret umsetzbar?
  • Sind die Zuständigkeiten für die Maßnahmen und Konsequenzen dem beteiligten pädagogischen Personal bekannt und die Verantwortlichkeiten zugeordnet?
  • Welche weiteren, nicht zielrelevanten individuellen Lernbarrieren erkenne ich bei SuS der Lerngruppe bezogen auf die Inhalte und methodische Gestaltung der Stunde? Habe ich hierfür sonderpädagogische Maßnahmen bedacht?
  • Habe ich ein Augenmerk auf die individuellen Ressourcen der SuS als Anknüpfungspunkte gelegt?
  • Habe ich meine subjektiven Beobachtungen sprachlich exakt formuliert und von Hypothesen und Konsequenzen getrennt?
  • Und zuletzt: habe ich tatsächlich die individuellen Lernvoraussetzungen logisch passend zum intendierten Zielbereich erfasst?

Bei Schülerinnen und Schülern mit  dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung sind insbesondere die Ressourcen, Lernbarrieren und die individuellen Möglichkeiten im Bereich der emotionalen und  sozialen Kompetenzen und hiermit assoziierten Entwicklungsmöglichkeiten fokussiert zu beachten:

Barth gibt in Ihrer Dissertation eine umfassende Übersicht über die o. g. häufigsten als individuelle Lernvoraussetzungen beschriebenen Bereiche Emotionen, Emotionsregulation, Motivation, Volition, Erleben von Emotionen, Lernrelevanter Emotionen, Selbstkonzept, Lernstrategien und sozialer Kompetenzen.

Beispielhaft und auszugsweise Darstellungen aus der Dissertation Barths (absolut lesenswert zur weiteren Vertiefung) sollen an dieser Stelle abschließend verdeutlichen, welche theoretische Tiefe exemplarisch in der Erfassung individueller Lernvoraussetzungen möglich ist (S. 78 ff):

„Emotionen als Lernvoraussetzungen”

Um Emotionen als Lernvoraussetzungen genauer zu betrachten und Hinweise für die Identifikation von Voraussetzungen einer kompetenten Diagnose von Emotionen während des Unterrichtsgeschehen zu finden, wird im Folgenden der Begriff der Emotionen, wie er in der Psychologie verwendet wird, differenziert. Dabei sollen gezielt Emotionen im Schulkontext angesprochen werden. Hierzu finden sich in der Literatur verschiedene Begrifflichkeiten, z.B. akademische Emotionen (Pekrun, Goetz, Titz & Perry, 2002) oder Lernemotionen, also Emotionen, die eine Person in der Auseinandersetzung mit verschiedenen Lernsituationen erlebt (Knollmann & E. Wild, 2007).

Der Begriff Emotion kann sich sowohl auf einen situativen momentanen Zustand (State) als auch auf eine dispositionale Reaktionstendenz (Trait) beziehen (E. Wild et al., 2001). Da für die vorliegende Arbeit die momentanen Zustände relevant sind, beziehen sich die folgenden Ausführungen primär auf Emotionen als aktuelle Zustände (States). Beides ist jedoch auch nicht völlig zu trennen, da eine emotionale Reaktionstendenz die Bereitschaft ist, in Situationen mit entsprechenden Emotionen zu reagieren und somit ein bestimmter emotionaler Zustand in der Situation nahe gelegt wird. Emotionen werden nach Rheinberg (1999, S. 191) „als Ergebnisse einer ganzheitlichen Bewertung der momentanen Lage aufgefaßt, die dann ihren Niederschlag in einer Erlebniskomponente (‚Gefühl’), einer neuro-physiologischen Aktivierungskomponente, einer sozialkommunikativen Ausdruckskomponente, einer Kognitionskomponente, einer motorischen Komponente und anderen Komponenten mehr haben kann.“ Diese Komponenten werden teils von verschiedenen Autoren als gleichberechtigt betrachtet, teils wird eine Komponente, z.B. das Gefühl als affektive Erlebniskomponente, als zentrales Bestimmungsstück erachtet. Nach Pekrun und Hofmann (1999) können unter Emotionen Systeme von eng miteinander verknüpften psychischen Prozessen verstanden werden, wobei vor allem die folgenden Komponenten bedeutsam sind: - eine Aktivierung von Subsystemen des limbischen Systems, die subjektiv als emotionsspezifisches Gefühl empfunden wird (affektive Komponente) - emotionsspezifische Gedanken (z.B. bei Angst Gedanken der Bedrohung) - emotionsspezifische Muster peripherer körperlicher Veränderung (z.B. peripherphysiologische Aktivierung, Gesichtsausdruck) - emotionsspezifische motivationale Tendenzen (z.B. Wunsch, aus der Situation zu flüchten). Prinzipiell ist die Unterscheidung der Begrifflichkeiten Stimmung und Emotion gebräuchlich. Dabei sollen Emotionen kurz und intensiv erlebt werden und eher auf ein bestimmtes Objekt gerichtet sein. Stimmungen sind dagegen von längerer Dauer, dafür weisen sie jedoch geringere Intensität auf. Eine Orientierung in der wissenschaftlichen Literatur ist hierzu jedoch nicht leicht, da einige Autoren die Begrifflichkeiten Emotion und Stimmung synonym verwenden und leider nicht alle dies explizieren. Teilweise wird zudem bei einigen Autoren zwischen kurzfristigen und überdauernden Stimmungen unterschieden (z.B. Kleine & Schmitz, 1999).

Auch E. Wild et al. (2001) unterscheiden in ähnlicher Weise eine affektive, eine kognitive, eine expressive, eine physiologische und eine motivationale Komponente. Bereits auf der Grundlage dieser drei Definitionen, die, wenn auch die Komponenten etwas unterschiedlich beschrieben und differenziert werden, deutliche Übereinstimmungen aufweisen, wird klar, dass Emotion, Motivation und Kognition keinesfalls voneinander getrennte Einheiten darstellen, was jedoch für eine Erfassung durch die Lehrkraft auch nicht notwendig ist. Von zentraler Relevanz innerhalb des Unterrichtsgeschehens dürfte die affektive Komponente sein, also das empfundene Gefühl des Schülers. Dass damit ebenfalls weitere Komponenten auch kognitiver und motivationaler Art einhergehen, mindert nicht die Bedeutung der subjektiven Empfindung und deren Erfassung, jedoch lässt sich daraus schließen, dass auch die Diagnose der emotionalen, motivationalen und kognitiven Lernvoraussetzungen nicht unabhängig voneinander geschieht oder geschehen sollte. Kommt eine Lehrperson etwa zu dem Urteil, dass ein Schüler Angst empfindet, kann er dabei unter Umständen auch auf dessen Motivation, sich mit den Unterrichtsinhalten auseinander zu setzen, schließen.“

„Emotionsregulation durch die Schüler”

Knollmann und E. Wild (2007) untersuchten die Rolle der Emotionsregulation bei der Genese alltäglicher positiver und negativer Lernemotionen bezogen auf das Fach Mathematik an 181 Schülern. Dabei gingen die Autoren der Frage nach, ob verschiedene Regulationsstile systematisch mit der Intensität von Lernemotionen in schulischen und familiären Lernsituationen kovariieren. Das Ergebnis der Studie zeigte erwartungsgemäß, dass eine Tendenz zur funktionalen Emotionsregulation (mit mutmaßlich lernförderlicher Wirkung) mit einer größeren Intensität von habitueller Freude und einer geringeren Ausprägung von Ärger einhergeht, wogegen sich für dysfunktionale Formen der Emotionsregulation eine inverse Beziehung ergab. Zusammenfassend betrachtet scheinen also sowohl Motivation als auch verschiedenste Erwartungs- und Bewertungskognitionen eine Rolle bei der Entstehung von Emotionen im Unterricht zu spielen. Emotionen dürften im Unterricht vor allem dann auftreten, wenn für den Schüler wichtige Dinge auf dem Spiel stehen. Bezüglich der kognitiven Aspekte dürfte wiederum vor allem die Bewertung der Lerninhalte oder einer Leistung sowie das akademische Selbstkonzept die Stärke und Richtung des emotionalen Empfindens beeinflussen. Sowohl die Bewertung wie auch das Selbstkonzept werden dabei durch Kontextbedingungen, vor allem durch das soziale Umfeld, geprägt. Dabei spielt die Lehrperson sicherlich eine wichtige, aber bei weitem nicht die einzige Rolle, was verschiedene Studien nahe legen“ (Barth 2010, S. 84 ff).

„Motivation und Volition”

Prozesse der Umsetzung von Absichten werden bisweilen aus dem Motivationsbegriff ausgeklammert und als Volition (Wille) bezeichnet (Heckhausen, 1989; E. Wild et al., 2001). Diese sind Gegenstand des von Heckhausen (1989) formulierten Rubikonmodells. Die Unterscheidung von Motivation und Volition bezieht sich darauf, dass Motiviertheit noch keine entsprechenden Handlungen garantiert. Die Absicht muss auch gegenüber konkurrierenden Einflüssen abgeschirmt werden. Dieser Vorgang der willentlichen Steuerung wird als Volition bezeichnet. Gemäß der Handlungskontroll-Theorie von Kuhl (Kuhl & Heckhausen, 1996) können mehrere Mechanismen im Anschluss an die motivationale Phase der Intentionsbildung eingesetzt werden, damit es zu einer tatsächlichen Handlungsdurchführung kommt: - Aufmerksamkeitsfokussierung auf Informationen, welche die Handlungsausführung begünstigen 16 Damit ist nach der Wotbedeutung ‚zufälliges Lernen’ gemeint, das ohne die Absicht zu lernen geschieht. Individuelle Lernvoraussetzungen von Schülern 103 - Ausblendung von Informationen, die für alternative Handlungen relevant wären - Anregung positiver sowie Unterdrückung leistungsbehindernder Emotionen - Bewusstmachen positiver Konsequenzen, die das Lernverhalten nach sich zieht - Gezielte Kontrolle behindernder Umweltfaktoren Die Mechanismen der volitionalen Steuerung werden aktiviert, wenn die Schwierigkeit, eine Lernabsicht auch in Verhalten umzusetzen, einen kritischen Wert übersteigt, der Lerner sich jedoch für fähig hält, die Absicht dennoch auszuführen. Das Ausmaß der volitionalen Steuerung hängt unter anderem von der Stärke der Absicht ab (U. Schiefele & Pekrun, 1996).“ (ebd., S. 102 f).

„Lern- und Leistungsmotivation”

Lernmotivation ist nach Pekrun und U. Schiefele (1996) eine Motivation „deren Ziel subjektiv im Lernen liegt“ (S.155). Gelernt werden kann dabei sowohl um des Lernens, als auch um dessen Folgen Willen. E. Wild et al. (2001, S. 218) bezeichnen als Lernmotivation „den Wunsch bzw. die Absicht, bestimmte Inhalte oder Fähigkeiten zu erlernen“. Leistungsmotivation bezeichnet dagegen „den Wunsch bzw. die Absicht, etwas zu leisten, d.h., Erfolge zu erzielen und Misserfolge zu vermeiden, wobei zur Bewertung des Ergebnisses der Lernhandlung (der ‚Leistung’) ein individuell als gültig erachteter Gütemaßstab herangezogen wird“ (E. Wild et al., 2001, S.220). Schnotz (2006) setzt beide Begriffe miteinander in Beziehung und versteht Lernmotivation als Motivation, Lernleistung zu erbringen, also eine spezielle Form der Leistungsmotivation. Als Lernvoraussetzung ist sowohl die Lern- als auch die Leistungsmotivation von Relevanz, wenn auch die Lernmotivation den direkteren Bezug aufzuweisen scheint. Leistungsmotivation ist jedoch die vermutlich am besten erforschte Motivation. Ausgangspunkt dieses Forschungsansatzes ist in der Regel die Erwartungs-mal-Wert-Theorie, nach welcher die Stärke der in einer Situation wirksamen Motivation zur Realisierung einer bestimmten Handlungsalternative eine Funktion der: - Erwartbarkeit eines Handlungserfolges und - des subjektiven Wertes des erwarteten Handlungsergebnisses ist. Motivation ist dementsprechend dann gegeben, wenn ein Erfolg erwartet wird und mit Folgen assoziiert wird, die erstrebenswert erscheinen. Weiterhin kann noch zwischen dem Handlungsergebnis als solchem und den Folgen, die dieses wiederum hervorruft (z.B. Anerkennung) unterschieden werden (E. Wild et al., 2001) (ebd., S. 104 f).

Durch diese Auszüge soll deutlich werden, wieviel fachliche Tiefe möglich ist, um insbesondere auf den Kontext sonderpädagogischen Unterricht bezogene individuelle Lernvoraussetzungen theoriegeleitet zu formulieren. Formulierungen wie …

  • „... hält die grundlegenden Regeln des sozialen Miteinanders mit Hilfe ein“
  • „... kann die Aufmerksamkeit 15 Minuten altersangemessen aufrechterhalten“
  • „... fällt es schwer, an seinem Arbeitsplatz sitzen zu bleiben“
  • „... ruft ohne Einhaltung der Melderegel häufig Wortmeldungen in den Klassenraum hinein“
  • „... kann die Emotionen nicht altersangemessen kontrollieren“
  • „... gering ausgeprägte Frustrationstoleranz“

… sollten nun der Vergangenheit angehören.

 

Dieser Beitrag befindet sich noch im Stadium eines Arbeitsentwurfes und wird weiterhin überarbeitet/ erweitert.

 

Literatur (wenn nicht im Beitrag als Link hinterlegt)

Breitenbach, Erwin (2014): Psychologie in der Heil- und Sonderpädagogik. Kohlhammer

Heimlich, Ulrich und Wember, Franz (Hrsg., 2016): Didaktik des Unterrichts im Förderschwerpunkt Lernen. Ein Handbuch für Studium und Praxis. Kohlhammer

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